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Zum Tod von Pater Herbeck

Ein persönlicher Nachruf von

Edouard Marry
Psychologischer Psychotherapeut
Vorstandsvorsitzender der
Offenen Tür Berlin e. V. (OTB)

 

Pater Herbeck

In memoriam

Die Leute sagen, Geld regiert die Welt. Genau genommen ist es nicht das Geld, das die Welt regiert, sondern der Handel. Wir sehen es jetzt, zu Corona-Zeiten, dass die Gesundheit, die Kunst und sogar die Ausübung des Glaubens hinter den Interessen des Handels zu stehen haben. In einer solchen Welt des Handels wird alles zur Handelsware. Selbst die psychologische und spirituelle Beratung, sei es in der OTB oder sonst wo, braucht ein Angebot von Produkten, mit dem es eine „Finanzierung“ sicherstellen kann, die wenigstens die Grundkosten deckt.

Doch es gibt Menschen, die weder ihr Produkt noch ihre Arbeitsleistung verkaufen, sondern ihre Nächstenliebe schenken. Einen solchen Menschen traf ich im Jahre 1976 in der Offenen Tür Berlin.

Damals teilten sich Pater Longard und Pater Herbeck den „Dienst“. Die Räume der OTB befanden sich in unmittelbarer Nähe der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche, dem Mahnmal des zweiten Weltkrieges.

Herr Theo Rottländer nahm mich damals mit, nachdem er mich überzeugt hatte, ich solle seinen Platz im Vorstand der OTB einnehmen. Ich ahnte damals nicht, dass meine Teilnahme bis 2020 andauern würde. Gleich hinter dem Eingang saß Pater Herbeck auf einem Stuhl, als sei er der Concierge. Mit wachsamen Augen betrachtete er mich, blieb sitzen und deutete auf den hinteren Raum, wo eine Art Bibliothek von einigen, offensichtlich Obdachlosen bevölkert war, die Zeitung lasen, Kaffee aus allerlei buntgewürfelten Tassen tranken. Es wurde geraucht und getratscht.

Als dann die Mitgliederversammlung der OTB in einem kleinen, auch verrauchten Nebenraum begann, lernte ich die beiden Patres kennen. Ich muss gestehen, der eine wirkte etwas arrogant, der andere schizoid. Also dachte ich, das Eis zwischen uns wird einige Zeit zum Schmelzen brauchen. Aber schon nach der Sitzung, als wir zum Abschied die Hände schüttelten, spürte ich die Herzenswärme dieses Menschen Herbeck wie ein Windstoß, der mich überraschte.

Viel später wurden zuerst Pater Herbeck und später Pater Longard unser spiritueller Begleiter bei der Caritas Ehe- und Familienberatung und dies insgesamt 14 Jahre, glaube ich. Nun höre ich, dass Pater Herbeck gestorben ist. Ist er das wirklich? Für mich nicht.

In einer Welt, wo der Handel unser Leben bestimmt, gibt es einige Menschen – und das sind nicht wenige, in Deutschland immerhin ca. 18 Millionen Ehrenamtliche – die sich nicht verkaufen. Die verstanden haben, dass die Liebe sich nicht verkaufen lässt und auch keine Ware ist. Einfach weil die Liebe, wenn man sie schenkt, sogar zunimmt und den Spender reicher macht. Ein solcher Mensch war, ist Pater Herbeck.

Und wo immer er jetzt sein mag (wahrscheinlich trinkt er mit P. Longard zum letzten Feierabend einen Rotwein), ich freue mich für ihn. Ich hoffe, dass er endlich seine Ruhe gefunden hat. Er, der mir anvertraut hatte, dass seine Motivation zwar stark sei, aber manchmal auch vom Zweifel angenagt wird: „Was ist mit der dunklen Seite Gottes? All das Leid um uns und in uns … manchmal frage ich mich: Warum tut Gott nicht mehr dagegen?“

Lieber Pater Herbeck, Gott hat viel dagegen getan: Er hat Menschen wie Sie erschaffen!

 

Berlin, November 2020